Historie

Der Wasserbeschaffungsverband Kammer-Rettenbach besteht seit über 70 Jahren. Aus bescheidenen Anfängen in einer sehr schwierigen Zeit hat er sich zu einem modernen lokalen Wasserversorger für das Gebiet der Altgemeinde Kammer entwickelt. Die starke Verankerung in seinem Versorgungsgebiet durch das ehrenamtliche Engagement aus dem Kreis seiner Mitglieder war in seiner ganzen Geschichte kennzeichnend für unseren Verband. Und genau so wollen wir auch die Herausforderungen der kommenden Jahre angehen, vor die uns zum Beispiel der Klimawandel stellen wird.

Die Anfänge: 1947 – 1949

Das Jahr 1947 brachte nach einem bitter kalten Winter einen sehr trockenen Sommer. Viele Hausbrunnen versiegten und Wasser wurde knapp. Die Aufnahme von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen verschärfte die Lage weiter.

Zitat aus einem Schreiben an die damalige Militärregierung:

Einige Landwirte holten bereits Wasser von der Traun für das Vieh. Peter Parzinger, Bauer in Haunstätt, erzählte, dass ab Sommer die Bauern Wasser vom „kalten Bründl“ am Bachbett des Rettenbachs ca. 500 m östlich von Rettenbach mit Odel-Banzen (Jauchefässern) holten. Dies war weit und breit die einzige Stelle, wo noch ausreichend Wasser von einer Quelle kam.

Zitat aus einem Schreiben:

 

Daraufhin schlossen sich etwa 50 Anwesen aus den Ortschaften Kammer und Rettenbach sowie den Weilern Kronacker, Haunstätt und Neuhausen zusammen um eine gemeindliche Wasserversorgung aufzubauen.

Zitat aus einem Schreiben:


Bereits im Sept. 1947 begann nach Prüfung der Wasserqualität der Bau der Quellfassung. Es war erforderlich, den damals ausgetrockneten Rettenbach in ein neues Bett zu verlegen um die Quelle am Austritt zu fassen. Die Beschaffung des notwendigen Materials erfolgte unter schwierigsten Umständen: Die Gemeinde Kammer lieferte 50 m³ Holz und erhielt dafür die Rohre von der Quelle bis zum Saugbehälter von der Stadt Traunstein. Weitere Gussrohre wurden – kostenpflichtig –  mit Genehmigung der Militärregierung auf dem Obersalzberg in der Nähe der Buchenhöhe ausgegraben und nach Kammer transportiert. Mit insgesamt rund 930 m Rohren für die Hauptleitungen in den Ortschaften Kammer, Rettenbach mit Reichsberg, Kronacker, Haunstätt und Neuhausen , Hochbehältern in Kammer (150 m³) und Rettenbach (80 m³) sowie einem Saugbehälter (80 m³) wurde die erste Wasserversorgung aufgebaut.

 

Am 5. Dez. 1948 fand die Gründungsversammlung des Wasserbeschaffungsverbandes Kammer – Rettenbach statt. 57 Mitglieder waren anwesend. 55 Stimmen wurden für die Gründung des Verbands abgegeben. Der mit den Behörden ausgearbeiteten Satzung wurde ebenfalls zugestimmt. Josef Brunner wurde zum ersten Vorsitzenden gewählt.

 

Der Ausbau: 1951 – 1978

Im Jahr 1951 erfolgte die erste Erweiterung der Versorgung: Die Ortschaft Gerating, die sich 1947 noch „entschlossen (hatte), dem Unternehmen vorläufig fernzubleiben“, wurde angeschlossen. Mit dem Anschluss des Weilers Zweckham und im weiterem der Weiler Arleting, Schmiding und Walchenberg mit Niedling 50  in den folgenden Jahren erweiterte sich das Versorgungsgebiet in den Bereich der damaligen Gemeinde Traunwalchen hinein. Die notwendigen Finanzmittel mussten die Antragsteller selbst aufbringen. Auch im Gebiet der Altgemeinde Kammer wuchs das Versorgungsnetz mit dem Anschluss von Alterfing, Roitwalchen und Kaltenbach und durch die Ausweisung neuer Baugebiete.

1965 wurde eine dritte Quelle, die Wirtsholzquelle am Hopfengarten, auf Grundstücken der Anwesen Wirt in Kammer und Pöschl in Hurt erschlossen. Dem Pöschl von Hurt wurde damals dafür die Zusage gegeben, dass der Weiler vom Verband mit versorgt wird, sollten die eigenen Hausbrunnen versiegen. Mit der Erschließung der dritten Quelle wurde der Bau einer Förderleitung zum Sammelschacht für die Emer- und Tischlerquelle am Rettenbach notwendig. Aus dieser Zeit stammen auch erste Festlegungen eines Wasserschutzgebiets für die nunmehr drei Quellen. Das bestehende Wasserschutzgebiet Rettenbach war nun nicht mehr ausreichend. Eine umfassende Ausweisung kam nur schleppend voran. Der damalige Oberbürgermeister Wamsler wollte die Ausweisung forcieren, diese scheiterte aber schließlich 1982 an Einsprüchen.

Ein letzter Meilenstein dieser Zeit war die Errichtung eines Notverbunds mit dem Zweckverband zur Wasserversorgung der Otting-Pallinger-Gruppe mit dem Bau einer Versorgungsleitung vom Hochbehälter Siegelberg zu unserem Hochbehälter Kammer. Auslöser hierfür war ein Hauptleitungsbruch, der zum Wassernotstand führte. Die Kosten betrugen damals knapp 35.000 DM.

Bei der Verbandsversammlung 1960 wurde Josef Kallsberger zum Nachfolger von Josef Brunner als Verbandsvorsteher gewählt. 1975 kandidierte Josef Kallsperger nicht mehr und Franz Wennes wurde als neuer Verbandsvorsteher gewählt.

Am Scheideweg: 1988 – 1990

Im Frühjahr 1988 beschloss die Stadt Traunstein nach über 20 Jahren Baustopp in Kammer den Neubau einer Kanalisation. Dem Verband wurde dringend die Erneuerung der Wasserversorgung im Zuge des Kanalbaus empfohlen. Wegen der zu erwartenden hohen Kosten und der Sorge der Vorstandschft, dass die Struktur des Verbands dem Vorhaben nicht gewachsen sein könnte, fanden im Vorfeld der damaligen Verbandsversammlung Gespräche mit der Stadt Traunstein und der Geschäftsleitung des Zweckverbands zur Wasserversorgung Otting-Palling im Hinblick auf einen möglichen Anschluss statt. Auf der Verbandsversammlung selbst kam es zu heftigen Diskussionen. Die Mehrheit der Mitglieder sprach sich für das Festhalten an der Eigenständigkeit aus. Es wurde beschlossen, sowohl einen Vorentwurf und eine Kostenschätzung für die Baumaßnahmen als auch die Bedingungen für einen Anschluss an den Zweckverband auszuarbeiten. Die Entscheidung wurde auf eine außerordentliche Mitgliederversammlung im Herbst 1988 vertagt. Diese entschied sich dann gegen einen Anschluss und für eine Fortführung des Verbands. Zur Finanzierung der Baumaßnahmen beschloss die Verbandsversammlung im März 1989, den Wasserpreis rückwirkend von 0,45 DM/m³ auf 0,80 DM/m³ zu erhöhen.

Franz Wennes sorgte sich sehr um den Wasserbeschaffungsverband, aber aus Altersgründen kandidierte er 1990 nicht mehr für den Verbandsvorsteher. In der Verbandsversammlung wurde Josef Wolkersdorfer als Verbandsvorsteher gewählt.

Bei der Verbandsschau 1990 mit der neugewählten Vorstandschaft gab es dann die klare Aussage des Wasserwirtschaftsamtes, dass die bestehenden Mängel nicht länger hinnehmbar seien. Das Amt würde ggf. Einschränkungen bis hin zu einer Schließung der Anlagen verfügen.

Die Sanierung: 1990 – 1996

Nach dem Beschluss, die eigenständige Versorgung durch den Verband aufrecht zu erhalten, wurden Angebote für ein Sanierungskonzept der Wasserversorgung Kammer und Rettenbach eingeholt. Beauftragt wurde das Ingenieurbüro, welches auch die Planung für die Kanalisation in Kammer und Rettenbach zu erstellen hatte. Die Leitungsfestlegung wurde weitestgehend auf die Kanaltrassen ausgelegt, welche in öffentlichen Grundstücken (Straßen) geplant waren. Die Kosten wurden auf 6,6 Mio. DM geschätzt, für den Verband eine riesige Summe. Damals wurde für die Zukunft eine rasante Zunahme des Wasserverbrauchs erwartet, sowohl, was den Verbrauch pro Kopf als auch die Anzahl der angeschlossenen Haushalte und Betriebe anging. Dementsprechend groß dimensioniert wurden die zu erstellenden Behälter und Leitungen geplant.

Gemeinsam mit dem Oberbürgermeister der Stadt Traunstein, dem Wasserwirtschaftsamt und dem Landratsamt Traunstein wurden Gespräche mit der Obersten Baubehörde über die Gewährung von Zuschüssen geführt. Diese wurden grundsätzlich in Aussicht gestellt, allerdings sei die derzeitige Situation nach der deutschen Wiedervereinigung äußerst schwierig. Es bestehe ein Antragsstau von rund 2,2 Mrd. DM, der Verband könne frühestens in 16 Jahren, wenn überhaupt, mit einer Zuteilung rechnen. Außerdem würde nur die wirtschaftlichste Lösung bezuschusst.

Diese wirtschaftlichste Lösung wäre der Verzicht auf die eigene Quellfassung gewesen, der Anschluss an den Zweckverband Otting-Palling und die Versorgung durch diesen. Dies wurde auch vom Wasserwirtschaftsamt unterstützt, das große Versorger wünschte. Der Zweckverband war nur zu einer Übernahme bereit, der aber der Beschluss der Verbandsversammlung, eigenständig zu bleiben, entgegen stand.

1991 lag das Konzept vor: Die Quellen und die Notversorgung sollten erhalten werden, die Versorgung über ein später zu errichtendes neues Druckpumpwerk in Rettenbach erfolgen. Die Sanierung insbesondere des Leitungsnetzes im Zusammenhang mit dem Kanalbau musste im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Verbandes erfolgen. Damit entfiel die vorgesehene Kapazitätserweiterung der Behälter und des Leitungsnetzes. Aus heutiger Sicht eine richtige Entscheidung, denn der Wasserverbrauch hat sich nicht so entwickelt, wie damals vorhergesagt. Die Bauwerke wären heute überdimensioniert und der Verband müsste aufwändig Sorge tragen, dass sich keine unzulässigen Stillstandszeiten des Wassers ergeben. Im folgenden Frühjahr beschloss die Verbandsversammlung eine Erhöhung des Wasserpreises auf 1,50 DM/m³ und der Anschlussgebühren zur Finanzierung der Sanierung. Dennoch wurde eine Kreditaufnahme von 500 000.- DM notwendig.

Als erste Baumaßnahme wurde das nördliche Ufer des Rettenbach im Bereich der Quellfassung um einen halben Meter erhöht, um der Überschwemmungsgefahr bei Hochwasser zu begegnen. Mit den Landwirten wurden erste Gespräche über Einschränkung der Düngung geführt.

1993 wurde die Quellfassung am Rettenbach saniert. Mit der Erschließung des Baugebietes Stockach-West begann der Neubau des Leitungsnetzes. Der offizielle Spatenstich für die Baumaßnahmen für Kanalisation und Wasserversorgung erfolgte am 10. Mai 1995. Insgesamt wurden 4135 m Hauptleitungen, 122 Hausanschlüsse und 26 Hydranten erneuert und der Hochbehälter Rettenbach saniert. Am Ende wurden mit zwei Kreditaufnahmen von jeweils 500 000.- DM für die Sanierungsmaßnahmen fast 1,2 Mio. DM abgerechnet, davon entfiel der Löwenanteil mit rund 800 000.- DM auf die Ortsnetze Kammer und Rettenbach.

Ein moderner Wasserversorger: 2000 – heute

1997 begannen Anstrengungen zur Ausweisung eines Wasserschutzgebietes, nachdem die Behörden ihren Schutzgebietsplan als Vorschlag einstuften. Für das Verfahren wäre ein aufwändiges, extern zu vergebendes Gutachten notwendig geworden. In langen einvernehmlichen Verhandlungen mit dem Amt und einem Geologen aus Salzburg wurde eine Einigung erreicht, dass der Geologe nur aufgrund der geographischen Lage, den geologischen Karten und seiner Erfahrung die Grundwasserfliessrichtung ermittelt und daraus ein Gutachten erstellt. Mit diesen Unterlagen wurde 2010 eine Ausweisung eines Wasserschutzgebietes beantragt. 2015 begann dann mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der Stadt Traunstein die Öffentlichkeitsbeteiligung für das geplante Wasserschutzgebiet des Wasserbeschaffungsverbandes Kammer – Rettenbach. Es handelt sich um zwei Gebiete mit 165 854 m² für die Emer- und Tischlerquelle und 84 613 m² für die Wirtsholzquelle. Nach einer dreiwöchigen Auslage ohne Einspruch konnte das Landratsamt Traunstein die Ausweisung des Wasserschutzgebiets vornehmen.
In dieser Zeit wurde auch mit den betroffenen Landwirten im Wasserschutzgebiet eine privatrechtliche Vereinbarung über Entschädigung getroffen. Die Ausweisung des Wasserschutzgebiets konnte mit Veröffentlichung im Amtsblatt des Landkreises Traunstein am 18. Jan. 2019 abgeschlossen werden. Der Verband besitzt nun ein genehmigtes Schutzgebiet für seine Quellen.

Im Zuge der laufenden Modernisierung der Anlagen wurde eine Druckerhöhung für die höher gelegenen Ortsteile von Kammer und Rettenbach sowie für Alterfing und Roitwalchen mit entsprechenden Pumpen, eine Notversorgung von Rettenbach auch bei Ausfall des Pumphauses, der Neubau des Pumphauses mit Saugbehälters in Rettenbach mit 238 m³ Fassungsvermögen, neuen Aggregaten und neuester Technik umgesetzt.

Sein 60-jähriges Bestehen feierte der  Wasserbeschaffungsverband Kammer – Rettenbach 2008 durch einen Tag der offenen Tür mit der Einweihung des neuen Pumphauses Rettenbach. Ein Teil der Anlagen war im Rahmen eines geführten Rundgangs zu besichtigen.

2017 übergab die Surgruppe den Weiler Lüfteneck an den Wasserbeschaffungsverband Kammer – Rettenbach. Auslöser dafür war die kostenintensive, unzureichende Löschwasserversorgung (Löschwasserweiher) von Lüfteneck seitens der Stadt . Lüfteneck wurde bis dahin von der Surgruppe über eine Hausanschlussleitung von Langmoos durch Wald- und Moorgebiet versorgt, deren genauer Leitungsverlauf auch nicht mehr genau bekannt war. Sein Anschluss war die bislang letzte Vergrößerung des Versorgungsgebietes, sieht man von der laufenden Erweiterung und Sanierung des Leitungsnetzes im Rahmen von Baugebietsausweisungen im Ortsgebiet ab.

Und die Zukunft?

Die Herausforderungen, denen sich der Verband stellen muss, werden gewiss nicht kleiner. Der Klimawandel wird vielleicht nicht dazu führen, dass uns das Wasser ausgeht, aber die letzten Jahre haben uns gezeigt, dass wir uns zunehmend auf lange Trockenperioden einstellen müssen. Die Vorstandschaft des Verbands macht sich bereits seit einigen Jahren Gedanken darüber, wie die Versorgung auch künftig sichergestellt werden kann.

Verschiedene Zwischenfälle der letzten Jahre bei anderen Wasserversorgern haben auch uns deutlich gemacht, dass wir auch die Sauberkeit unseres Trinkwassers nicht einfach als gegeben annehmen dürfen. Sowohl Verkeimung als auch chemische Belastungen von Trinkwasser können jederzeit passieren. Der Vorstand hat vorgesorgt und entsprechende Notfallpläne erstellt.

Die Erweiterung und Instandhaltung unseres Leitungsnetzes wird ebenso weiterhin die Aufgabe des Verbandes sein, wie die Erhaltung und Verbesserung unserer Quellfassungen, Behälter und Pumpanlagen. Die Vorstandschaft plant auch hier vorausschauend die sinnvollen Maßnahmen.

Der Verband hat in seiner ganzen Geschichte bewiesen, dass er auch bei ehrenamtlicher Führung in der Lage ist, die Herausforderungen der jeweiligen Zeit zu bewältigen. Seine Zukunft wird aber entscheidend davon abhängen, dass sich immer wieder Mitglieder finden, die bereit sind, sich zu engagieren und ein solches Ehrenamt zu übernehmen. Wenn Sie Interesse haben und im Vorstand Mitverantwortung für unser Trinkwasser übernehmen wollen, sprechen Sie uns an.